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Diskussionsrunde
Beim Gespräch in Bielefeld berichten Jochen Twelker (v.l.) Heidi Emmerich und Martin Kapovits (r.) vom Start in die inklusive Arbeit - und wie daraus ein beständiger Erfolg wurde.

Beruf&Bildung

Messe der Inklusionsunternehmen 2023 in Dortmund

Dortmund/Münster (lwl). In Westfalen-Lippe sorgen über 170 Inklusionsunternehmen für Inklusion im Arbeitsleben. Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten in den Firmen zusammen, die sich auf dem freien Markt beweisen müssen. Und die Arbeitsplätze für die Menschen mit Behinderung sind im Schnitt deutlich kostengünstiger als die Plätze in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung.

Bei der LWL-Messe der Inklusionsunternehmen am 15. März in der Messe Dortmund präsentieren sich Firmen, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bei ihrer Arbeit unterstützt. Eines der Inklusionsunternehmen hat seinen Sitz in Münster.

Wie Gleichberechtigung zum Alltag wird

Interview mit Praktikern im Bereich Inklusion

Bielefeld (lwl). Seit fast zehn Jahren arbeiten die beiden Bielefelder Verpackungshersteller Habig & Krips und Kontorvier bereits inklusiv. Die Unternehmen bieten insbesondere Menschen mit psychischen Erkrankungen die Möglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Bei Habig und Krips weisen 25 von 125 der Beschäftigten eine Behinderung auf – beim Nachbarn Kontorvier sind es mit fünf von zehn sogar die Hälfte der Belegschaft. Im Interview erzählen die Assistentin der Geschäftsleitung Heidi Emmerich (Habig und Krips), Geschäftsführer Martin Kapovits (Kontorvier) und Jobcoach Jochen Twelker von Geistesblitzen beim Kartenspielen, Win-Win-Situationen und machen Vorschläge für eine einsteigerfreundlichere Inklusion.

Wann und wie kam es dazu, dass ihre Unternehmen eine Inklusionsabteilung gegründet haben?
Emmerich: Seit 2013. Es gab damals Aufgaben, die wir extern vergeben haben. Um Kosten zu sparen, haben wir das in neuen Geschäftszweigen mit eigenen Mitarbeitern bewältigt. Wir haben mit dem Immobilienservice angefangen, also Garten-, Rasen- und Außenpflege an unseren Standorten. Dazu kamen noch Verpackungsarbeiten für einen großen Kunden.

Der Anstoß war aber auch auf jeden Fall ein starker sozialer Aspekt, dass wir Inklusion auch im eigenen Unternehmen leben wollen. Und wir haben im Verlauf gemerkt, dass das wunderbar funktioniert.

Kapovits: Wir kamen 2012 bei unserer gemeinsamen Doppelkopfrunde auf die Idee. Wir hatten damals viele Handlingstätigkeiten, die wir auch außer Haus gegeben hatten. Da wir aber mit der Qualität und dem Aufwand oft nicht zufrieden waren, hatten wir überlegt, ob wir diese Tätigkeiten nicht ins Haus holen könnten. Dafür brauchten wir Mitarbeiter und hatten über Herrn Twelker die Möglichkeit zu sagen: “Komm, wollen wir das nicht probieren?” Das ist eine Win-Win Situation für beide Seiten. Wir kriegen unsere Arbeit gut erledigt, und ein behinderter Beschäftigter hat am ersten Arbeitsmarkt eine gute Chance.

Gab es anfängliche Hürden und haben Sie Tipps, wie man diese am besten bewältigt?
Emmerich: Anfängliche Bedenken haben sich sehr schnell verflüchtigt. Die Beschäftigten haben gesehen: “Das ist ein ganz normaler Kollege, der macht ganz normal seine Arbeit.” Wenn es Einschränkungen gibt, können wir das offen kommunizieren und lösen. Das ist zur Normalität geworden.

Wir haben gelernt, offener zu werden. Einfach mal irgendwelche Probleme ansprechen, das versuchen wir jetzt in der Gruppe zu klären – das haben wir vielleicht früher nicht so gemacht. Das ist dann vielleicht ein bisschen wie Gesprächstherapie (lacht), aber dann kann auch jede:r sagen, was einen stört. Vielleicht sind es nur Kleinigkeiten, aber es ist gut, dass man spricht.

Kapovits: Wir haben eigentlich gar keine Startschwierigkeiten gehabt. Wobei wir vielleicht am Anfang auch direkt ein paar Glücksgriffe mit unseren Mitarbeiter:innen hatten. Jeder hat so seine Eigenart, aber man geht da gut mit um. Es gibt eigentlich überhaupt keine Reibungspunkte.

Twelker: Und Betriebe müssen so eine Offenheit auch mitbringen. Denn diese Gedanken machen sich erstmal alle: “Ich stelle einen Beschäftigten mit Behinderung ein, was nun?” Aber wenn man es mal ausgetestet hat, merkt man, es klappt. Und deswegen hat sich vielleicht hier auch so eine Dichte an “normalen” inklusiven Betrieben entwickelt. Die haben damit jetzt arbeiten gelernt und wollen es nicht mehr missen.

Wie gestaltet sich der Arbeitstag ihrer Beschäftigten, um auch auf deren Bedürfnisse eingehen zu können?
Emmerich: Wir haben ganz klare Strukturen geschaffen. Viele unserer Inklusionsmitarbeiter arbeiten in einer Abteilung, da gibt es ganz feste Regelungen. Feste Arbeitszeiten, keine Überstunden, feste Pausen, sodass die Menschen gerade mit einer psychischen Einschränkung sich auf ihren Arbeitstag und ihre Woche einstellen können.

Kapovits: Wir bieten das äußerst flexibel an und passen das auch auf den Arbeitnehmer an. Es gibt keinen starren Arbeitszeitbeginn. Das heißt jetzt nicht, dass jeder kommen kann, wann er will, aber es ist flexibel.

Twelker: Das Gute daran ist, dass man hier an ziemlich enger Stelle eine Menge an Möglichkeiten hat. Man kann eben ausprobieren. Wir hatten erst kürzlich jemanden, der nach dem Wechsel plötzlich richtig aufging. Das Gucken ist es, dieses langsame Reinrutschen. Gerade in den Praktika und Probebeschäftigungen haben wir Anpassungsphasen, in denen ein Beschäftigter an die Arbeit herangeführt werden kann. Und man kann in dem Zeitraum auch ausprobieren.

Ich komme ursprünglich aus der Psychiatrie, also habe ich da einen anderen Blick für. Ich gucke, wo die Beschäftigten vom Typ und von den Fähigkeiten am ehesten hinpassen. In der Regel fangen Beschäftigte hier bei Habig und Krips in festen Strukturen an, und dann sehen wir, wie das passt. Und wenn nötig, können wir sie in einem weiteren Unternehmen unterbringen. Da sind wir flexibel – und das ist auch gut so.

Wie gestaltet sich mittlerweile ihre Mitarbeitergewinnung?
Twelker: Wir haben hier über die Jahre gute Kontakte zum Jobcenter und zur Arbeitsagentur aufgebaut – und somit auch einen ebenso guten Ruf. Denn inzwischen kommen Behörden auch auf uns mit Anfragen zu: “Wir haben hier einen Kunden, könnt ihr den mal ausprobieren?” Offen und flexibel eben, so wie es eigentlich sein soll.

Kapovits: Also ich muss nicht mehr beim Jobcenter anrufen, die kommen zu uns – das funktioniert. Und die Tendenz geht zur Arbeitszeitverlängerung. Bei uns ist es wie bei HK. Wir haben ein Praktikum, eine Probebeschäftigung und einen befristeten Vertrag für ein Jahr. Und nach einem Jahr können wir auch eigentlich immer sagen, ob es passt oder nicht. Und wenn wir verlängern, ist es in der Regel so, dass wir nicht weiter befristen, sondern einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten.

Emmerich: Die Firma schließt in der Regel befristete Verträge ab. Ich freue mich über jeden, der entfristet wird und auch über jeden, der seine Arbeit wieder in Vollzeit erledigen kann und den Weg ins normale Leben zurückfindet. Das sind oft Menschen, die eine lange Krankheitsphase hinter sich haben, wenn die jetzt wieder einer Tätigkeit nachgehen können, dann finde ich das großartig.

Was würden sie sich für die Zukunft wünschen oder empfehlen?
Emmerich: Was man anregen könnte, wären regionale Gesprächskreise, wo man sich mit Interessierten und Betroffenen treffen, austauschen und eben auch vernetzen kann. Das könnte auch vielen Betrieben, die über eine Eingliederung von Inklusion nachdenken, den Einstieg erleichtern.

Zum Abschluss: Was bedeutet für Sie Inklusion?

Emmerich: Bunte Welt.

Kapovits: Gutes Miteinander, faires Miteinander.

Twelker: Vielfalt. Viele, viele Menschen – viele, viele Möglichkeiten.

Hintergrund Integrationsunternehmen
In Westfalen-Lippe gibt es zurzeit über 170 Inklusionsunternehmen oder -abteilungen in Firmen aus Industrie, Handel und Gewerbe, in denen knapp 2.200 Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten. Die Betriebe, die zum großen Teil Mitarbeiter mit Handicaps beschäftigen, sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständig. Sie müssen sich wie jedes andere Unternehmen am freien Markt behaupten.
Der LWL unterstützt diese Firmen mit Mitteln aus der Ausgleichsausgabe, die Unternehmen leisten müssen, die nicht mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Mitarbeiter:innen besetzen. Die Inklusionsunternehmen bekommen Zuschüsse zu Investitionen, betrieblichem Mehraufwand, Betreuung und Lohnkosten. An der Finanzierung beteiligen sich auch die Bundesagentur für Arbeit, das Land Nordrhein-Westfalen über das Programm “Integration unternehmen!” sowie die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und die Aktion Mensch. Hinzu kommen Mittel aus dem Förderprogramm “Inklusionsinitiative II – AlleImBetrieb” des Bundes. Die Arbeitsplätze sind im Schnitt deutlich kostengünstiger als die Plätze in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung.
Die LWL-Messe der Inklusionsunternehmen wird präsentiert unter http://www.lwl-messe.de.

Foto: LWL

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